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Blog #7 – oder auch die Verzerrung des Selbstbildes.

Warum passiert es uns eigentlich immer wieder? Im Inneren wissen wir doch so genau, was gut für uns ist. Was wir lieben. Was wir machen wollen. Wobei uns das Herz aufgeht, wir vor Freude übersprudeln und bis über beide Ohren wie ein Honigkuchenpferd grinsen. Dabei andere mit unserer guten Laune anstecken und somit nicht nur unseres, sondern auch das Leben von einem anderen Menschen mindestens für einen kurzen Moment ein kleines bisschen besser machen.



Stattdessen rackern wir uns ab, quälen uns selbst. Weil wir es einfach nicht tun. Diese eine Entscheidung treffen. Die Entscheidung, die wir innerlich eigentlich schon längst getroffen haben, aber aus falschem Stolz, gesellschaftlichen Normen, stereotypischen Vorurteilen oder aus Angst nicht offen aussprechen und zugeben können. Werden wir für unsere Entscheidung verurteilt werden? Was werden unsere Freunde, die Eltern oder der Partner dazu sagen? Sie werden sicher enttäuscht sein, denn das Bild, das sie von uns im Kopf haben, wird doch dann komplett zerrüttet werden. Oder?


Die selbst gerichtete Lüge. Im Grunde täuschst Du nicht die Menschen, sondern vielmehr dich selbst. Denn Du hast ein Bild von dir im Kopf, wie Du sein und wahrgenommen werden möchtest. Um diesem Bild gerecht zu werden, handelst Du so, wie Du handelst.


Wenn wir mit einer Entscheidung hadern, ist es oftmals, weil wir gegen unsere eigene Wahrheit leben. Denn wir haben eine ganz genaue Vorstellung davon, was uns glücklich und zufrieden machen würde. Doch für meist eine sehr lange Zeit machen wir uns vor, etwas ganz anderes zu wollen. Den gutbezahlten Job, bei dem man 60+ Stunden arbeitet und im Winter kein bisschen Tageslicht zu Gesicht bekommt. Weil nur die, die dieses coole Jet-Set Leben führen, wirklich erfolgreich sind. Irgendwann kann man im Geld baden wie Dagobert Duck, doch innerlich fühlt man sich komplett leer, denn um den Reichtum zu genießen, fehlt die Zeit. Nach etlichen Jahren im Hamsterrad fällt man irgendwann aus dem Rad heraus, weil die Kraft fehlt, das sich immer erhöhende Tempo mitzuhalten. Das zählt natürlich nicht nur für die gutbezahlten Bürojobs, sondern für jede Tätigkeit, bei der wir gegen unsere innersten Wünsche ankämpfen. Doch wie gelingt der Schritt raus, sodass die Landung möglichst sanft ist?


Decidophobie. Klingt witzig, ist es aber nicht. Es ist eine spezifische Angststörung - die Angst vor Entscheidungen. Menschen, die darunter leiden, versuchen alles, um Entscheidungen zu vermeiden, aus Angst, einen Fehler machen zu können. Misserfolgserleben ist für diese Menschen die persönliche Hölle auf Erden. Natürlich leidet nicht jeder, der sich mit Entscheidungen schwertut, gleich an dieser pathologischen Form. Es gibt durchaus mildere Formen, bei denen Betroffene zwar nicht unter ständiger Angst leiden, sich jedoch das Leben oftmals sehr viel schwerer machen, als es sein müsste.


Eine Kunst, die wir entweder verlernt oder nie richtig beherrscht haben, ist die Fähigkeit, auf unser Herz zu hören. In unserer schnelllebigen und leistungsorientierten Gesellschaft müssen wir einfach immer höher, schneller, weiter. Prägungen aus unserer Kindheit, das soziale Umfeld während wir heranwachsen und auch das Berufsleben haben uns aberzogen, auf unser Herz zu hören. Charlie Chaplin schrieb zu seinem 70. Geburtstag ein Gedicht zum Thema Selbstliebe: „Als ich mich zu lieben begann, da erkannte ich, dass mich mein Denken behindern und krank machen kann. Als ich mich jedoch mit meinem Herzen verband, bekam der Verstand einen wertvollen Verbündeten. Diese Verbindung nenne ich heute HERZENSWEISHEIT.“


Trifft man endlich diese eine Entscheidung, fühlt man sich danach unendlich erleichtert. Wie im Rausch sozusagen und dann fragt man sich, warum man diese Entscheidung so lange hinausgezögert hat. Und sich damit so wahnsinnig gepeinigt hat.


Warum also nicht ‚einfach‘ diesen nervigen Verstand mal abstellen und auf das liebe Herz hören? Wie so oft, wenn wir fest eingefahrene Muster verändern wollen, ist das nicht ganz so einfach, wie wir es uns vorstellen oder es uns erhoffen. Naja, wenn es einfach wäre, würde es ja auch jeder machen. Daher – sei eine*r der Wenigen, die sich die Mühe machen. Und dann - ja, dann kannst Du dein Leben so viel leichter leben. Denn Du brauchst deine Entscheidungen nicht wochen- oder monatelang in deinem Geist hin- und herjonglieren und hoffen, dass Du irgendwann die Eingebung bekommst, was das Richtige ist. Sondern Du hörst auf dein Herz, vertraust auf die kleinen Impulse, die es dir sendet und kannst guten Gewissens deine Entscheidung treffen.


Natürlich wird das immer auch bedeuten, ohne alle Informationen zu haben, eine Entscheidung zu treffen, auf die Gefahr hin, dass es die Falsche sein könnte. Dabei hilft dann das passende Mindset. Der Verhaltenstherapeut und Autor Jens Corrsen nennt es die ‚Gehobene Gestimmtheit‘ – egal, was man tut, man entschiedet sich immer für alle Konsequenzen, die mit dieser Entscheidung einhergehen. Wenn Du also zum Beispiel morgens das Auto zu Arbeit nimmst, nimmst Du in Kauf, dass Du in einen Stau geraten könntest. Oder wenn Du die Bahn nimmst, kann es durchaus sein, dass die Bahn ausfallen könnte. Aber Du hast dich dafür entschieden und dann bringst es nichts, sich darüber zu ärgern und zu wünschen, Du hättest dich anders entschieden. Außer dass Du mehr graue Haare bekommst und deinen Körper mit dem langfristig überaus schädlichen Hormon Cortisol überschwemmst, das in Stresssituationen ausgeschüttet wird. Tu dir und deinem Körper etwas Gutes und gehe friedfertig mit solchen Situationen um.


Die ehrliche Auseinandersetzung mit sich selbst. Zugegeben, die richtige Entscheidung zu treffen, stellt auch mich immer wieder vor Herausforderungen. Denn immer nach dem ersten Impuls zu handeln, kann der Wink mit dem Zaunpfahl deines alten Musters sein, dass Du eigentlich durchbrechen möchtest. Wenn Du also denkst - „ach, das ist ja spannend und das will ich auch!“ – dann höre nicht nur auf diesen kognitiven Impuls, diesen Gedanken. Sondern horche in dich hinein, welches Gefühl in dir aufkommt. Vor einiger Zeit hatte ich ein Telefonat mit einer Person, von der ich mir ein glorifiziertes Bild in meinem Kopf konstruiert hatte und im Rahmen eines Projektes unbedingt mit dieser Person zusammenarbeiten wollte. Vor dem Telefonat merkte ich, wie nervös ich war und während des gesamten Gesprächs verspürte ich eine Beklommenheit, sodass ich mich nicht so artikulieren konnte, wie ich es eigentlich wollte.


Als ich auflegte und in mich hineinhörte, spürte ich Angst und Druck. Angst vor dem Versagen, den hohen Anforderungen dieser Person nicht gerecht zu werden und dem Druck, diese Person trotzdem beeindrucken zu wollen. Und mich im Zweifel auf dem Weg dahin durch meine persönliche Hölle zu peitschen. Keine schöne Ausgangslage, um das eigene Selbstwertgefühl zu nähren und sich im eigenen Schaffen kompetent zu fühlen. Es ist das eine, wenn man etwas nervös ist und z.B. Lampenfieber vor einer Präsentation hat. Es ist etwas anderes, wenn eine so starke Emotion aufkommt, die uns förmlich anschreit, dass wir gegen unsere Wahrheit leben. Versteht mich nicht falsch – ich bin die Letzte, die sagt, dass man sich nicht aus seiner Komfortzone bewegen und Dinge ausprobieren soll. Wenn dieses Herausbewegen aber einem psychischen Suizid nahekommt und langfristig negative Auswirkungen (Stichwort Burnout) mit sich ziehen kann, rate ich dringend davon ab.


Das mache ich jetzt anders. Und so gebe ich diesen Rat auch mir. Direkt danach hatte ich unterbewusst meine Entscheidung bereits getroffen, mit dieser Person nicht zusammenzuarbeiten. Denn in meiner aktuellen Lebenssituation wäre es genau das Falsche für mich gewesen. Auch wenn dies bedeutete, dass mir eine großartige Chance entgehen würde. Um die Entscheidung auch innerlich zu akzeptieren, musste ich noch mit zwei Personen darüber sprechen, um mir dessen bewusst zu werden. Aber eines habe ich in den letzten Jahren wirklich gelernt – wenn der Weg zu dem vermeintlich wichtigen Ziel nicht von Balance geprägt ist, dich deiner Ausgeglichenheit und deiner Lebensfreude beraubt, kann es dann das richtige Ziel sein?


Statt dieses Projekts arbeite ich nun ein paar Stunden die Woche in einem niedlichen Café – weil ich zum einen Kaffee und zum anderen die ungezwungene Interaktion mit den Menschen dort liebe. Danach bin ich so voller Energie und Lebensfreude, um mit neuem Schwung die kognitiv herausfordernden Themen zu bearbeiten. Für mich eine perfekte Balance, die mich zutiefst glücklich macht.


Pass auf dich auf.

Deine Merle


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