Wir haben alle Ziele. Also glauben wir jedenfalls. Und dann glauben wir auch alle, dass wir diese Ziele ohne weiteres erreichen können. Dabei sehen wir natürlich auch keinerlei Schwierigkeiten oder Hürden, die uns daran hindern könnten, diese Ziele zu erreichen. Wir bekommen unser Leben doch sonst auch immer ganz gut hin. Oder etwa nicht?
Die Lüge der Zielsetzung. Sich ein Ziel zu setzen erscheint erst einmal als ganz simple Geschichte. Hmm, Pustekuchen, hab‘ ich auch immer gedacht. Dann musste ich irgendwann realisieren, dass ich mir zwar immer ganz schöne und tolle Ziele stecke, aber trotzdem immer wieder daran scheitere, diese vollumfänglich zu erreichen. In meinem Kopf sah das Erreichen dieser Ziele immer total cool aus. So fancy und leicht. Der Weg dahin ein Spaziergang.
Zu Beginn setzt du dir dieses Bild in den Kopf und läufst erst einmal los. Und zwar meist mehr kopflos als irgendetwas sonst. Nach einiger Zeit wunderst du dich dann, dass sich irgendwie kein Erfolg einstellen will. Du wunderst dich, dass obwohl du so ein tolles Ziel im Kopf hast, du keinen Schritt vorankommst. Und zufrieden macht dich das alles schon gar nicht. Der Prozess ist mühselig und durch den mangelnden Fortschritt bist du noch frustrierter als vorher. Letztlich beschließt du, dieses Ziel aufzugeben. Sicher war es einfach nur das falsche Ziel.
Der wirkliche Schlamassel beginnt dann allerdings erst. Etwas hast du nämlich geschafft; du hast nun noch eine weitere Misserfolgsgeschichte, die du auf den stetig wachsenden Haufen an Misserfolgen packen kannst. Das Beste daran ist, dass du dir gedanklich so richtig einen auf den Deckel geben kann. Frei nach dem Motto „Siehst Du, Du wusstest doch, dass Du das nicht kannst und dein Ziel niemals erreichen wirst“. Unkontrolliert fliegen dir solche und ähnliche Gedanken durch den Kopf und vermitteln dir ein schlechtes Gefühl. Super! Das ist genau das, was du in einer solchen Situation brauchst. Aber was dagegen tun? Wenn dir solche Gedanken kommen, dann sag beim nächsten einfach: „Halt die Klappe, Kopf! Ich bin ziemlich cool und hab mir einfach ein zu großes Ziel gesetzt. Beim nächsten Mal mache ich das besser“!
Ich war ganz groß in sowas - ob es um die nächste Diät, mehr Sport treiben, die nächste Karrierestufe oder das 100. Buch ging, dass ich schon immer einmal lesen wollte oder gelesen haben sollte. Ich wollte immer alles. Und zwar sofort. Obwohl ich mich als recht ehrgeizig und leistungsfähig einschätze, ging mir schnell der Atem aus und nach dem ersten Sprint habe ich oft viel zu früh vor lauter Frustration und Erschöpfung resigniert und dann aufgegeben. Ich habe mir selbst so viel Druck aufgebaut, dass ich diese Ziele unbedingt erreichen wollte. Schlussendlich gab es nur einen einzigen Weg - den Weg des geringsten Widerstands. Zurück auf Anfang.
Das mache ich jetzt anders. Es begab sich zu einer Zeit, in der ich mich einer bunt gemischten Gruppe toller Frauen anschloss, um zu lernen, mir realistische Ziele zu stecken und diese auch umzusetzen. Okay, im Grunde hab ich wenig Aktien darin gehabt und einfach das Angebot, das über mein Frauennetzwerk reinkam, dankend angenommen. Nach der Anmeldung haben die Zauberhände der Frauennetzwerklerinnen Circle von 4-5 Frauen zusammengestellt und here we go – der Startschuss zu Working out loud (WOL) war gelegt.
Wir haben die ersten beiden Wochen erfolgreich hinter uns gebracht. Über 12 Wochen bekommen meine 4 Circle-Kolleginnen und ich die Aufgaben zugeschickt, dann steht es in unserer Verantwortung, uns zu organisieren und die Aufgaben zu bewältigen. Zum Glück sind die Aufgaben überschaubar und lassen sich auch gut in einen vollen Terminkalender integrieren.
Einmal die Woche treffen wir uns zu einem ca. 1-stündigen Online-Meeting und folgen der vorgegeben Agenda. Naja, weitestgehend jedenfalls. Sind halt alles einfach wahnsinnig tolle Frauen, die spannende Lebensgeschichten mitbringen und einiges zu erzählen haben. Zudem wissen wir alle, dass man sich unter Frauen auch mal gerne ein bisschen verquatscht. Die Rolle des Timekeepers sollten wir zukünftig doch noch ein wenig ernster nehmen. Dem Grundprinzip folgen wir natürlich trotzdem und bewegen uns langsam aber stetig unseren persönlich gesteckten Zielen entgegen.
Die allergrößte Herausforderung hat für mich schon gleich zu Beginn die Formulierung eines Ziels dargestellt. Naja, deshalb bin ich ja auch hier, also los. Es sollte ein Ziel sein, dass groß genug ist, um sich selbst zu motivieren. Auf der anderen Seite sollte es aber auch klein genug sein, sodass über 12 Wochen Fortschritte möglich sind und das Ziel auch erreicht werden kann. Zudem muss es einem persönlich wichtig sein. Klingt leichter, als es ist. Zum Glück wird das Ziel in Woche eins noch nicht in Stein gemeißelt und kann sich während des Prozesses noch leicht ändern. So jedenfalls die Theorie. Ob dem so sein wird, wird sich zeigen.
Nachdem also jede von uns ihr Ziel vorgestellt und wir uns über Fragen gegenseitig gechallenged haben, ob dies wirklich DAS Ziel ist, widmeten wir uns der zweiten Aufgabe. Schreibe Menschen auf, die dich bei deinem Ziel unterstützen können. Auch das ist gar nicht so leicht. Außerdem ist um Hilfe fragen ja ein Zeichen von Schwäche – oder? Zum Glück können wir uns auch hier ganz wunderbar unterstützen und stellen gegenseitig Kontakte ins eigene Netzwerk her, wenn wir glauben, dass dieser Kontakt dem Ziel einer Mit-Circlerin dienlich sein könnte.
Dann frage ich halt doch um Hilfe – mein Ziel. Sich eine eigene Marke zuzulegen, ist ja total verpönt. Leider. In den USA zum Beispiel spricht man richtig gerne über sich, seine Qualitäten und was einen ausmacht. Da unterstützen einen auch alle ganz fleißig, verteilen Lob und Anerkennung. Ob das immer ernst gemeint ist, sei mal dahingestellt - ein gutes Gefühl vermittelt es trotzdem! In deutschen Ohren klingt das oft ziemlich oberflächlich, selbstdarstellerisch und überheblich. Was ich persönlich total schade finde, denn dadurch, dass wir uns selbst so viel kleiner machen, als wir sind, entstehen auch weniger Allianzen, ergo weniger Ideen, ergo weniger Inspiration, ergo weniger Entrepreneurship und auch weniger eine Gesellschaft des „Das machen wir jetzt alle mal anders … und zwar zusammen“.
In einer Panel-Diskussion zum Thema Personal Branding lernte ich letzte Woche einen entscheidenden Punkt. Wenn du dich nicht selbst um dein Branding kümmerst, brandet dich jemand anderes für dich. Das heißt, dass keiner von uns ohne Brand lebt. Der Unterschied ist nur, dass man die eigene Brand beeinflussen kann, jedenfalls zu einem gewissen Grad. Dabei kann man sich sowohl Wiedersprüche also auch Stereotypen zunutze machen. Daher habe ich mir zum Ziel gesetzt, über die nächsten 12 Wochen an meiner Marke, meiner „Personal Brand“ zu arbeiten. Wer bin ich, wofür stehe ich, wofür setze ich mich ein. Klingt nach banalen Fragen. Sich diese zu beantworten, ist bei genauem Hinsehen jedoch etwas herausfordernder.
In der aktuellen Woche geht es darum, die Aufmerksamkeit für die Dinge und Themen zu schärfen, die einen interessieren und die mit dem eigenen Ziel zusammenhängen. Und es geht darum, auf potenzielle Unterstützer*Innen zuzugehen. Bin mitten drin und muss sagen – das macht wirklich Spaß! Sinnvoller könnte ich die Zeit der Verlangsamung aufgrund von Corona kaum nutzen. Connecten, virtuell und geistig, bereichert mich ungemein. Jeden Tag und immer wieder. #socialdistancing schafft Raum für andere Dinge und diese gilt es, sinnvoll, und vor allem mit Freude, zu tun. Sich dabei selbst ein bisschen zu überlisten, gehört wohl dazu. Ganz wichtig; dadurch, dass wir in unserem WOL Circle über unsere Ziele sprechen, entsteht ein höheres Committment, dieses auch zu erreichen. Wenn du also ein Ziel erreichen möchtest, erzähle so vielen Menschen wie möglich davon. Dann gibt es auch kaum einen Weg zurück ;-)
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